Der Unterschied zwischen mitgemeint und direkt angesprochen

Ende der 1990er Jahre habe ich die Diskussion zur Einführung der weiblichen Form von akademischen Titeln mitbekommen. Mein Vater war Professor an der Fachhochschule und so kam diese Debatte und das Für und Wider auch in unserem Haushalt an.
Tatsächlich ist es damals gelungen die weibliche Form zu etablieren. Aber auch das hat lange gedauert. Die erste Kritik an dem generischen Maskulinum in unserer Sprache gab es schon 1970/80.

Persönlich mag ich es nicht als Mann angesprochen zu werden. Auf „Herr [Nachname]“ reagiere ich schon sehr allergisch. Man sollte meinen, dass ein eindeutig weiblicher Vorname ausreicht um die entsprechend passende Anrede zu wählen.
Zumindest bemühe ich mich immer sehr darum Personen richtig anzusprechen. Das fängt bei der korrekten Schreibweise des Namens an und hört erst bei der Wahl der passenden Sprache auf.

Mit den Jahren seit dem mehr Achtsamkeit auf genau diese Punkte, also die richtige Ansprache der Leserschaft, gelegt wird, habe ich festgestellt, dass mir Texte mit einer inklusiven Ansprache sehr gut gefallen. Und ich würde das tatsächlich auf den Unterschied zwischen „mitgemeint“ und „angesprochen“ zurück führen.
Wieso soll ein Text, der nur die maskuline Form enthält für mich als Frau relevant sein? Zumindest stelle ich mir sehr gerne diese Frage wenn nicht einmal die weibliche Form zusätzlich verwendet wird.

Ich wüsste ja zu gerne, wie die Männer unserer Welt reagieren würden, wenn Texte ausschließlich in der weiblichen Form geschrieben werden würden. Aber so ein Experiment wird es wohl sicher nicht so schnell geben.

Aber nur Männlein, Weiblein und solche Personen, die sich als solche verstehen, anzusprechen reicht nicht.
Es gibt viel mehr wenn man abseits der biologischen Geschlechter denkt und selbst bei den biologischen Geschlechtern gibt es selbst beim Menschen diverse Mischformen. Das sind zwar Raritäten aber es gibt sie.
Nun, wenn ich mich das typische Männer- und Frauenbild unserer Gesellschaft so ansehe, dann kann ich durchaus verstehen, dass es Personen gibt die sich anders fühlen. Da ist nichts falsch dran und außerdem bin ich persönlich auch gar nicht in der Position dazu etwas daran falsch zu finden sofern es so eine Position überhaupt geben kann.
Dennoch, werden diese Personen in unserer Sprache sehr schnell unsichtbar. Nicht beachtet, nicht gesehen, nicht angesprochen.
Da hilft dann auch dieses obligatorische „mitgemeint“ nichts mehr.

Ich finde, dass das Bemühen um eine inklusive Sprache nicht falsch sein kann, weshalb ich mich genauso eine Sprache bemühe, mit der ich Alle anspreche.
Hier auf dem Blog mache ich es mir recht einfach und spreche die Leserschaft per Du an. Früher hatte ich die Leser:innen als Gesamtheit gesehen und eher „Ihr“ verwendet. Aber dass eine Gruppe von Leser:innen gleichzeitig vom gleichen Gerät aus den gleichen Artikel hier auf dem Blog anschauen ist doch recht unwahrscheinlich.

Trotz der Bemühungen bin ich aber gerade beim Gendern noch in einem Lernprozess. Ich bin nicht sonderlich begabt hinsichtlich Sprachen und so tue ich mich besonders bei der Verwendung von genderneutralen Pronomen sehr schwer. Aber der Wille ist da, und irgendwann werde ich das auch können.. hoffentlich.

Mittlerweile bemühen sich viele Blogger um ein barrierearmes Layout. Sie stecken viel Mühe und Sorgfalt in ihre Inhalte. Aber bei der direkten Ansprache hört es dann auf?
Das passt für mich nicht zusammen.
Für mich gehört die richtige und vor allem inklusive Ansprache der Leserschaft mit dazu.
Ich betreibe einen Blog der sich an Alle richtet. Jede:r der Spaß am Kochen, an Zutaten oder auch an den anderen Artikeln hier hat, ist willkommen.

Kommentare

3 Antworten zu „Der Unterschied zwischen mitgemeint und direkt angesprochen“

  1. Ich kann das so nachvollziehen, was du schreibst. Als ich noch als Lehrerin im Schuldienst war, saß ich mal in einem Team. Außer mir waren die anderen alle Deutschlehrerinnen, also nur Frauen und alle explizit sprachlich ausgebildet.

    Und dann ging es die ganze Zeit so: „Jetzt kann ja jeder mal sagen, was er zur Themenverteilung meint.“ Mir hat das echt im Sprachzentrum weh getan.

    Ich habe in den Achtzigern schon Bücher von Luise Pusch zur sprachlichen Gerechtigkeit gelesen und es ist einerseits spannend, wie weit wir gekommen sind, gleichzeitig deprimierend, wie sehr wir in einigen Punkten auf der Stelle treten, beziehungsweise zurück rutschen.

    Liebe Grüße
    Angela

    1. Ohje. Solche Runden hatte ich auch schon, aber die Teilnehmerinnen war bezüglich Sprachen nicht explizit ausgebildet.
      Ich hoffe ja sehr, dass sich das verändert. Irgendwann wird es vielleicht ganz natürlich sein implizit die Personen anzusprechen ohne Diskussion und ohne große Bedenken.

  2. Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Im Blog wird leider nur der erste Beitrag abgebildet, daher erlaube ich mir hier den Link zu deinem Thread einzufügen. (Sag bitte Bescheid, wenn du das nicht möchtest.)

    Du hast so recht mit dem was du persönlich erfahren hast. Es ist eben nicht nur eine Anrede. Es geht um Respekt, Gesehen werden und vieles mehr.

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