Ich würde hier ganz gerne noch ein Thema abschließen.
Ab 2017 erschienen hier auf dem Blog immer mal wieder Beiträge zur psychischen Gesundheit und ganz konkret um meine psychische Erkrankung und deren Bewältigung.
Die letzte Sitzung bei der Psychologin fand irgendwann im Frühsommer oder Sommer 2022 statt.
Ich war lange in Behandlung. Zuerst als Akutfall in einer Tagesklinik mit entsprechenden Medikamenten und danach bin ich recht schnell in die tiefenpsychologische Therapie eingestiegen.
Ich habe gelernt wie ich mit meiner Depression umgehen kann und wie sehr ich auf mich aufpassen muss, damit es mir gut geht.
Für mich persönlich habe ich das Thema der psychischen Gesundheit soweit abgeschlossen, dass ich nun schon lange in der Lage bin, selbst wenn ich wieder in ein dunkles Loch falle, dass ich dann eine Leiter und eine Lampe dabei habe um da wieder heraus zu klettern.
Und an sich würde ich hier nicht nochmal etwas darüber schreiben. Aber der Umgang mit diesem Thema in den Medien stört mich.
Der Umgang mit psychischen Erkrankungen durch die Medien und Politiker
Immer mal wieder wabert durchs Netz und durch die Medien, dass die psychische Gesundheit wichtig ist. Aber spätestens bei einer Gewalttat durch eine psychisch erkrankte Person, was eine absolute Ausnahme darstellt, ist all das wieder vergessen. Dann werden wieder die veralteten Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen aber auch deren Behandlung heraus geholt und von den Medien und Politikern immer wieder wiederholt.
Auf diesem Weg fügen die Medien und diverse Politiker, die meinen daraus Kapital schlagen oder sich profilieren zu können, all jenen die sich behandeln lassen und auch der Psychotherapie an sich enormen Schaden zu. Wer holt sich dann noch aktiv Hilfe in einer psychischen Krise, wenn in den Medien „alle“ psychisch erkrankten Personen zu Mördern werden? Und wer engagiert sich für eine Person im eigenen Umfeld, die Hilfe braucht, aber durch die Berichterstattung Angst davor hat, dass diese Person direkt eingewiesen wird sobald sie die Praxis eines Psychotherapeuten betritt.
Die große Mehrheit psychisch Erkrankter ist weder gewalttätig noch eine Gefahr. Schlagzeilen dieser Art verstärken jedoch das Stigma und hindern viele Betroffene daran, Hilfe in Anspruch zu nehmen, obwohl eine früh begonnene Therapie Leben retten und Krisen verhindern kann.
Der Unterschied zu physischen Beschwerden oder Erkrankungen
Wenn wir uns das Bein brechen, gehen wir selbstverständlich zum Arzt und erwarten keine Verurteilung. Bei psychischen Erkrankungen sollte es genauso selbstverständlich sein, Hilfe zu suchen. Depression, Angst, Erschöpfung und Co. verschwinden selten von allein und unbehandelt können sie sich sogar verschlimmern.
In einer akuten psychischen Krise fehlt es nicht an körperlicher, sondern an mentaler Kraft. Betroffene sind oft nicht psycho-mental in der Lage, einen Termin selbst zu vereinbaren oder eine Praxis aufzusuchen. Die Blockierung liegt im Kopf, nicht in den Beinen. Hier kann es entscheidend sein, dass eine vertraute Person unterstützt. Sei es beim Telefonat zur Terminvereinbarung oder durch Begleitung vor Ort.
Viele Betroffene setzen alles daran, nicht aufzufallen oder sozial nicht „rauszufallen“. Sie maskieren ihre Gedanken und Gefühle und wirken daher nach außen als normal oder sogar stabil. Eine solche Maske zu erkennen ist für Personen, die keine Erfahrung mit psychischen Erkrankungen haben, kaum möglich.
Menschen ohne therapeutische Ausbildung erleben durch enge Begleitung von Krisen oft selbst seelische Überlastung. Diese Anspannung kann sich wie ein emotionaler „ansteckender Stress“ auswirken. Helfende sollten daher aktiv auf sich achten und im Zweifel sich selbst professionelle Hilfe suchen. Langfristig kann man nur dann für andere da sein, wenn man auch für sich selbst sorgt. Es ist so wie im Flugzeug bei der Sicherheitseinweisung. Erst zieht man die Atemmaske sich selbst auf bevor man anderen hilft.
Auch ist es möglich, dass Helfende mit einer entsprechenden Vorbelastung ebenso zu einem Akutfall werden, wenn sie einer anderen betroffenen Person helfen wollen.
Wer den Mut und die Kraft aufbringt, professionelle Hilfe zu suchen, beginnt einen anstrengenden Weg. Die Behandlung und die Beschäftigung mit der eigenen Psyche ist kräfteraubend. Da ist es nicht mal kurz mit einer OP, ein paar Schmerzmitteln und einer Bewegungstherapie getan. Man kramt aktiv mit Hilfe der Therapie in seinen Gedanken herum und sortiert diese neu.
Und all jene, die in schweren Zeiten Anderen beistehen, sollten sich bewusst sein, dass Selbstfürsorge keine Option, sondern eine Grundvoraussetzung ist um überhaupt helfen zu können.
Was sich ändern muss
Um diese gesellschaftlich und medial verbreiteten Hürden in Form von unsachgemäßer Berichterstattung oder dem künstlichen Erzeugen von Ängsten abzubauen, muss sich der Umgang mit diesem Thema grundlegend ändern.
Wir müssen damit aufhören Krankheiten miteinander vergleichen zu wollen. Eine psychische Erkrankung ist nicht weniger schwer als ein kompliziert gebrochenes Bein, eine versagendes Organ oder andere körperliche Erkrankungen. Es ist kein Schnupfen, es geht nicht von alleine weg und ein bisschen Tee und frische Luft mag vielleicht eine nette Idee sein, hilft aber im Zweifel nicht bei der Behandlung einer psychischen Erkrankung.
Jetzt bleibt nur die Frage wie wir, als Gesellschaft, das schaffen können.
Der Journalismus muss besonders bei diesem Thema auf eine sachlichen und fundierten Berichterstattung achten. Politiker, die sich dazu äußern wollen, sollten sich zuvor ernst- und gewissenhaft mit dem Thema beschäftigen oder das Wort doch lieber Experten überlassen.
Und wir als Konsumenten der Medien sollten genau drauf schauen wer da berichtet und was für eine Intention hinter den jeweiligen Beiträgen stecken kann.
Hilfestellen und Notrufnummern in Deutschland
Wer sich in einer akuten psychischen Krise befindet oder einfach jemand zum Reden braucht, findet Hilfe über folgende Angebote:
Notruf bei akuter Lebensgefahr:
112 (Rettungsdienst / Feuerwehr) oder 110 (Polizei)
Ärztlicher Bereitschaftsdienst:
116 117 bundesweit erreichbar bei dringenden Symptomen außerhalb der regulären Sprechzeiten
Telefonseelsorge:
0800 111 0 111, 0800 111 0 222 oder 116 123 (auch per Mail und Chat verfügbar)
https://www.telefonseelsorge.de/
„Nummer gegen Kummer“ – für Kinder, Jugendliche, Eltern:
Kinder-/Jugendtelefon: 116 111
Elterntelefon: 0800 111 0 550
https://www.nummergegenkummer.de/
Info-Telefon Depression (Deutsche Depressionshilfe):
0800 33 44 533 (werktags, unterschiedliche Zeiten, siehe https://www.dgsp-ev.de/fuer-hilfesuchende)
Krisendienste / Sozialpsychiatrische Dienste:
Regionale Anlaufstellen mit Beratung und Hilfe in akuten Krisen
https://psychenet.de/de/hilfe-finden/schnelle-hilfe/krisenanlaufstellen.html
Hilfsportale und Online-Beratungen:
https://krisenchat.de Chatberatung für unter 25-Jährige
https://www.u25-deutschland.de Online-Suizidprävention als Mailberatung für Personen unter 25 Jahre
https://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/hilfsangebote Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention mit einer Übersicht verschiedener Hilfsangebote
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