Was macht ein Gericht zu einem Lieblingsessen oder einer Leibspeise?

Gestern hatte ich euch mein ganz persönliches Leibgericht gezeigt, Spaghetti Carbonara.
Dafür könnte ich morden, mich hinein legen, es 365 Tage lang und mehr essen. Ich brauche nichts anderes als das.
So oder so ähnlich geht es vielen von euch wenn es um die ganz persönliche Lieblingsspeise geht.
Aber was macht ein Gericht oder eine Speise denn nun zu einem Lieblingsessen?

Ich habe auf Twitter die Frage nach euren Lieblingsgerichten gestellt und bekam viele leckere Gerichte genannt. So bunt wie die Menschen auf Twitter und in unserer Gesellschaft nun mal sind, so bunt und vielfältig waren die Antworten.
Viele verknüpfen Ihre Leibspeisen mit Kindheitserinnerungen oder einfach schöne Erinnerungen in der Vergangenheit.
Manche denken dabei an geliebte Personen wie die Mutter, die Oma, den Opa oder besonders geliebte Freunde und Bekannte.

Und natürlich verändern sich Leibspeisen auch mit der Zeit. Fragt man Kinder, dann kommt sehr schnell genau eine Nennung. Ein einziges Gericht wird geliebt bis in alle Ewigkeit. So scheint es uns als Kind zumindest. Für uns als Erwachsene erscheinen diese „kindlichen“ Leibspeisen dann manchmal merkwürdig. Nudeln mit Butter, Spaghetti mit Ketchup, Tomatenreis, Toast dick mit Käse überbacken, etc. pp.
Werden wir älter, haben wir in den Jahren schon tausende und mehr Gerichte gegessen und probiert, und manchmal fällt uns dann die Antwort auf die Frage gar nicht mehr so leicht. Manchmal werden direkt gleich mehrere Gerichte genannt. Je nach Lust und Laune, Jahreszeit, Wetter, Sternenkonstellation, etc.
Und je länger man über sein Leibgericht nachdenkt, desto mehr leckere und tolle Gerichte und Speisen fallen einem ein, womit die Entscheidung oder die Findung dieses einen Lieblingsessens noch schwerer wird.

Süß, Sauer, Salzig, Bitter.. War es das?

Wir alle können uns noch daran erinnern wie uns mal der Geschmackssinn erklärt wurde. Vielleicht erinnert ihr euch noch an eine Zeichnung einer Zunge auf der die verschiedenen Zonen markiert waren: süß, sauer, salzig, bitter
Halt stopp, da fehlt noch einer. Im Jahr 2000 wurden die Geschmacksrezeptoren für umami entdeckt.
Und tatsächlich sind wir als Neugeborene den Geschmäckern süß und umami sehr zugetan während wir auf Bitteres und Saures abwehrend reagieren. (Hat nicht jeder so ein Foto von sich im Fotoalbum in dem man als Baby oder Kleinkind in eine Zitrone beißt?)
Aber den Geschmack den wir empfinden bildet sich nicht nur auf der Zunge. Da sind noch viele andere Prozesse im Spiel. Man schaut sich das Essen an, man riecht es, man hört die eigenen Essgeräusche. Wie fühlt es sich an, welche Temperatur hat es, kann man es beißen, muss man es trinken, etc.
Teilweise spielt auch die Umgebung um das Essen herum eine Rolle. Welche Farbe hat der Teller? Wie ist der Raum, in dem man das Essen zu sich nimmt beleuchtet? Welche Farbe dominiert? Wie ist das Umfeld? Steht man unter Stress oder Druck? In welcher Situation sind wir?
Das alles und noch viel mehr spielt tatsächlich eine Rolle wie wir einen Geschmack empfinden.
In kurz: Es spielt also nicht nur die Speise selbst eine Rolle, die mit zugleich mit mehreren Sinnesorganen wahrgenommen wird sondern auch das Umfeld, die Umgebung.

Sind auch Gene im Spiel?

Man könnte jetzt annehmen, dass unser Geschmack und die Wahrnehmung eines Gerichts/einer Speise auch an unserer Prägung von daheim, von den Eltern und vielleicht sogar an unseren Genen liegt. Es wird gesagt, dass die grundlegenden Neigungen, Vorlieben wie auch Abneigungen, angeboren sind, was ich auch oben schon kurz erwähnt hatte. Wir denken wieder an die schreckliche Zitrone, die wir sicher mal als Baby oder Kleinkind probiert hatten und dabei so tolle Grimassen schnitten. Süß und Fettig sind zu Beginn unsere Favoriten.
Und der ganze Rest an Geschmäckern der uns im Leben so begegnet, der ist mehr oder weniger unbewusst angelernt, abgeschaut, imitiert und auch schlicht Gewöhnung.
Der erste Schluck Kaffee, der erste Schluck Alkohol, das hat mit Sicherheit kaum jemanden direkt von Beginn an geschmeckt. Das war und ist ein Teil Gewöhnung. So erklärt sich auch warum uns besuchende Amerikaner sich für das hiesige Roggenbrot kaum erwärmen können, selbst wenn sie ursprünglich aus einer in die USA eingewanderte Familie stammen. Wird es aber permanent und immer wieder vorgesetzt und probiert, dann wird sich auch ein Weißbrot-Liebhaber mit Roggenbrot und anderen spezielleren Brotsorten mehr oder weniger anfreunden. Aber eine Leibspeise wird es deshalb wohl sicherlich noch nicht. Da fehlt noch einiges.
Wieviel wir uns von unseren Mitmenschen abschauen oder erlernen in Sachen Geschmack wird deutlich, wenn wir uns ansehen was wir als eklig empfinden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein Kind ein Nahrungsmittel als eklig empfindet, wenn das Umfeld dies auch tut. Und dabei entwickelt sich dieses Empfinden bei Kindern erst mit drei oder vier Jahren. Und was Kinder oder allgemein Menschen jeden Alters eklig finden scheint je nach Region anders zu sein. Erinnert ihr euch an die Szene mit der Brokkoli Pizza aus „Alles steht Kopf“ (2015)? Dieses gezeigte Stück Pizza hatte in der Version für Japan grüne Paprika als Belag. Vielleicht ein Zeichen dafür dass die japanischen Kinder grüne Paprika auf ihrer „not to eat“ Liste stehen haben?

Das Lieblingsessen..

Damit ein Gericht oder eine Speise also zum Leibgericht werden kann sind viele verschiedene Faktoren nötig. Die Gewohnheit und die angelernten Neigungen spielen genauso eine Rolle wie das „drum Herum“, die Erfahrungen beim Essen, die Erinnerungen mit denen wir ein Gericht verbinden und natürlich nicht zuletzt bestimmt unsere Geschmackssinn bzw. besser ausgedrückt unsere Geschmackswahrnehmung mit den verschiedenen Sinnen was wir immer und immer wieder essen wollen und möchten.

Und vielleicht spielen auch doch unsere Gene doch eine größere Rolle. Vielleicht entscheiden sie doch mehr darüber ob der Genuss eines Butterbrotes tatsächlich einen Reiz in unser Gehirn an das Belohnungszentrum sendet was insgesamt dann wieder dazu führt, dass wir dieses Butterbrot besonders gerne essen?

Wie hieß es noch in Fontanes „Effie Briest“: [..]das ist ein weites Feld[..]
Und ich glaube auf diesem Gebiet sind wir noch am Anfang. So wie wir eben auch umami erst vor 18 Jahren entdeckt haben. Hier nun gebt es aber um Gene und vielleicht spielen diese doch eine größere Rolle als bisher wahrgenommen.

Und was ist dein Lieblingsessen?

Aus Twitter habe ich genau diese Frage gestellt und eine ganze Bandbreite an Lieblingsgerichten genannt bekommen.
Pizza mit Artischoken, Linsen mit Spätzle, Risotto mit Pilzen, einfache Nudelgerichte, Sauerbraten, Kartoffelpüree mit Frikadellen und Gemüse, Bolognese, Königsberger Klopse, Soljanka, Kaiserschmarrn, Kartoffeln mit Sauce, Chips, Sushi, Pfannkuchen, Grünkohl mit Kassler und Kohlwurst, …

Und welches Essen ist deindd allerliebstes Lieblingsessen?

Weiterführende Links:
Twitter.com – Freuwesen – Was ist eure absolute Leibspeise? (https://twitter.com/Freuwesen/status/1035941765860270081)


Der Tagesspiegel – Geschmack: Was ist eigentlich umami? (https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/essen-trinken/geschmack-was-ist-eigentlich-umami/19344128.html)
Berliner Zeitung – Essen: Wie Farbe den Geschmack manipuliert (https://www.berliner-zeitung.de/wissen/essen-wie-farbe-den-geschmack-manipuliert-22524546)
Aargauer Zeitung – Geschirr und Besteck beeinflussen den Geschmack (https://www.aargauerzeitung.ch/leben/forschung-technik/geschirr-und-besteck-beeinflussen-den-geschmack-128921619)


Quelle:
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2016/04/leibspeise-lieblingsgericht-essen-kindheit-vorlieben